Zeitzeugengespräch mit Eva Szepesi

Ein bewegender Appell gegen das Vergessen 

 „Die Shoah begann mit dem Schweigen und dem Wegschauen der Gesellschaft“

 Ein bewegender Appell gegen das Vergessen - Eva Szepesi zu Gast an der Bischof-Neumann-Schule

Am Freitag, dem 16. Februar 2024, besuchte Eva Szepesi die Bischof-Neumann-Schule in Königstein. Als Zeitzeugin ermöglichte die Auschwitz-Überlebende, welche auch am 31. Januar 2024 zum Holocaust-Gedenktag im Deutschen Bundestag gesprochen hatte, den Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 9 sowie den begleitenden Lehrkräften eine Begegnung, welche die Teilnehmenden tief beeindruckte und bewegte. 

Nach der Begrüßung durch den Leiter des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften, Patrick Seiler, wandte sich Frau Szepesi zunächst an die Anwesenden, um anschließend Auszüge aus ihrem Buch „Ein Mädchen allein auf der Flucht“ zu lesen. 

Die Zuhörenden folgten mit äußerst gespannter Aufmerksamkeit den Ausführungen der Autorin, die selbst das Vernichtungslager Auschwitz überlebte, deren Mutter und jüngerer Bruder jedoch, ebenso wie ihre Großeltern, wie sie erst Jahre später erfuhr, in Konzentrationslagern ermordet wurden. 

Sie, die am 29. September 1932 als Eva Diamant in einem Vorort von Budapest geboren wurde, erzählte von einer einst glücklichen Kindheit, die jäh ihr Ende fand, als die Kinder, die einmal ihre Spielgefährten waren, sich von ihr abwandten, sie auf offener Straße beschimpften und bedrohten. Ihr Vater habe sie in diesem so schweren Moment zu trösten versucht, wenig später wurde er selbst in ein Arbeitslager deportiert. 

Weil die Verhältnisse für die Verbliebenen der Familie nach der Besetzung Ungarns durch deutsche Truppen am 19. März 1944 immer gefährlicher wurden - so waren Juden seit dem 5. April 1944 gezwungen, den gelben Stern als stigmatisierendes Kennzeichen zu tragen -  entschied sich ihre Mutter dazu, sie in der Obhut ihrer Tante in die Slowakei zu bringen. Die Flucht dorthin bedeutete für das elfjährige Mädchen auch den schmerzhaften Abschied von ihrer Mutter. Dass sie diese nie wiedersehen würde, war ihr zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, und blieb für sie die einzige Hoffnung in der bald folgenden, von schweren seelischen und körperlichen Qualen erfüllten Zeit. Ihr Wille zu überleben wurde, wie sie es selbst auf die Frage eines Schülers hin erklärte, von diesem einen Gedanken getragen, der niemals Wirklichkeit werden sollte: Ihre Mutter wiederzusehen, mit ihrer Familie wieder vereint zu sein. 

Eine Zeit lang lebte sie versteckt in der Obhut hilfsbereiter Menschen, bevor sie von den Schergen der Deutschen verhaftet und nach kurzem Aufenthalt in einem Durchgangslager am 2. November 1945 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurde, wo für sie als Häftling A26877 unter Zwangsarbeit, Appellen und Misshandlungen ein Kampf um das bloße Überleben begann. Die Befreiung des Lagers durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 beschrieb sie als erlösenden Moment. Schwer krank und vollkommen entkräftet wurde sie an diesem Tag von einem russischen Soldaten ohnmächtig zwischen toten Insassen entdeckt, bevor man sie in ein Lazarett brachte, wo sie schließlich genesen konnte.  

Tief beeindruckt kamen die Anwesenden im Anschluss an den Vortrag mit der Zeitzeugin ins Gespräch. Ihrer Aufforderung, gerne Fragen an sie zu richten, kamen die Schülerinnen und Schüler mit großem Interesse nach. Wie sie es geschafft habe, in ihr Leben zurückzufinden, unter welchen Umständen und wann sie erfahren habe, welches Schicksal ihren Angehörigen widerfahren sei, welche Lichtblicke es für sie gegeben habe in dieser Zeit des Grauens? Wichtig war Frau Szepesi insbesondere die Frage eines Schülers: Welche Botschaft sie, die Überlebende der Shoah, ihnen als jungen Menschen mit auf ihren Weg geben könnte, so dass sich das Vergangene nicht wiederhole: „Seien sie kritisch, seien sie aufmerksam, übernehmen sie Verantwortung.“ Die Shoah, so Eva Szepesi, habe nicht mit Auschwitz begonnen, sondern mit Worten, mit dem Schweigen und dem Wegschauen der Gesellschaft. Dies nicht zu wiederholen, hierin liege die Verantwortung der Menschen heute. 

Nach den Dankesworten des Schulleiters der Bischof-Neumann-Schule, Jens Henninger, und dem sich anschließenden, anhaltenden Beifall nahm sich Frau Szepesi die Zeit zum vertiefenden Gespräch mit einzelnen Teilnehmenden und erhielt von vielen Seiten Worte des Dankes für ihren bewegenden Vortrag. 

Die beeindruckende Rede von Eva Szepesi bei der Gedenkstunde im Deutschen Bundestag für die Opfer des Nationalsozialismus am 31. Januar 2024 ist unter folgendem Link abrufbar.

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw05-gedenkstunde-rede-szepesi-988212

Ihre Erfahrungen und ihren Lebensweg beschreibt Eva Szepesi ausführlich in ihrem Buch:

Szepesi, Eva 
Ein Mädchen allein auf der Flucht
Metropol Verlag 
ISBN/EAN: 9783863310059

01 PLK_2134
02 PLK_2165
03 PLK_2144
04 PLK_2164
05 PLK_2183
06 PLK_2217
07 PLK_2180
08 PLK_2256