Dokumenta 2017

Mit der ganzen Stufe zwölf Stunden zur dokumenta 14

Nicht nur die Kunstkurse, sondern alle Schülerinnen und Schüler des kommenden Abijahrgangs haben sich am 27. Juni frühmorgens um 8 Uhr am Königsteiner Bahnhof mit Regionalexpress und Hessengruppentickets auf den Weg gemacht. Wir waren nicht die einzigen: Ab Liederbach war kein Einsteigen mehr möglich, aber mit der nächsten Bahn reichte es trotzdem nach einem Sprint durch den Frankfurter Hauptbahnhof noch, so dass alle 82 Teilnehmer zusammen starten konnten. Niemand hat sich von den verschlossenen Türen verführen lassen, nach Hause zurückzukehren. Nur drei Schüler konnten krankheitsbedingt leider nicht mitfahren.
Übrigens: Es blieb sogar noch ein Restbetrag für Kiserian übrig.

In Kassel ging es die Treppenstrasse hinunter zum Parthenon von Marta Minujin, dem wohl bekanntesten Werk dieser ausgesprochen politischen Dokumenta: Tausende Bücher hinter Plastikfolien schimmerten hinreißend schön in der Sonne, auf einem Gerüst angeordnet, in Proportionen wie beim Tempel auf der Akropolis. Alle Titel waren zu irgendeinem Zeitpunkt in irgendeinem Land verboten, die Autoren verfolgt oder verfehmt wie die Künstler des 3. Reiches auch, zu deren Rehabilitierug die erste Dokumenta vor 70 Jahren ins Leben gerufen worden war. Dass auch die Bibel dazu gehörte und mindestens die Hälfte der Literatur, die zum Kanon unseres Unterrichts gehört, das hatte wohl keiner so erwartet.

In fünf Kleingruppen zogen dann alle zu verschiedenen Spaziergängen los mit jeweils einem Lehrer und einem „Choristen“: in die Dokumentahalle und die Neue Hauptpost. Wie der Chor der Antike sollten sie zwischen Künstlern bzw. Kunstwerken und Besuchern vermitteln: auf die Interessen eingehen, ihre Bedürfnisse hören, Diskussionen anstoßen und mit Emphase kommentieren, Geschichten und Gerüchte erzählen, erklären und weiterklingen lassen. Das gelang mal besser, mal weniger gut.
Eine unserer Gruppen spornte ihre Studentin zu immer weiteren Ausführungen an. Sie habe noch nie so viele interessante Bemerkungen und Beobachtungen erlebt, sagte sie uns. Ein anderer steuerte recht zügig auf seine Kaffeepause zu und gab viel Freiraum für eigene Erkundungen, die jeder Schüler im Anschluss auch selbst mit seinem Ticket machen konnte, bis es Zeit zur Abreise war. Oder um Kaffeetrinken zu gehen.

Und was war zu sehen?
Känguruhs. Die Geschichte Australiens aus der Sicht der Ureinwohner, an deren Küste geisterhafte, europäisch anmutende Gestalten landeten.
Hunderte Rentierschädel, wie ein rätselhafter Teppich oder eine Fahne in einander gehakt, abgeschossen auf Befehl der norwegischen Regierung, um die Bodenschätze im Gebiet der im hohen Norden lebenden Samen ungestört vermarkten zu können. Deren Lebensraum so kleiner und kleiner wurde.
Holzgeschnitzte ethnologische Masken von seltsamen Tieren, hergestellt und leuchtend bunt bemalt vom kanadischen Künstler und Häuptling Beau Dick, wie für eine Stammeszeremonie, die traumatische Erfahrungen eines Jungen seines Stammes verkörpern und am Ende feierlich verbrannt werden sollen.

Schließlich: Hoch oben vom Zwehrenturm des Friedericianums wehte weißer Rauch. Ein Hauch Vatikan? Eine Installation, die mit dem zweiten Dokumentapart in Athen korrespondierte: Dort hatte der Künstler Daniel Knorr Müll gesammelt, zu Buch-großen Quadern pressen lassen und signiert verkauft, um damit die Nebelmaschinen auf dem Dach in Deutschland zu finanzieren. Und der damit wie alle teilnehmenden Künstler eine gleichwertige Arbeit in Athen zeigte.

Von wo „unsere Griechen“, der andere Teil der Q2, gerade den Rückweg angetreten hatten.
„Von Athen lernen“, das war das Motto der dokumenta 14, der größten Ausstellung zeitgenössischer Kunst weltweit, die nur alle 5 Jahre stattfindet.
Wohl wenige Schulen in Hessen dürften dieser Aufforderung so ernsthaft nachkommen wie unsere. Die Wurzeln europäischer Identität im Blick, Demokratie, Dichtung, Götter, Kultur, Philosophie, Kunst. Unsere Schüler, die ganz schlicht die Caritas dort unterstützt haben. Und uns übrigen -in Gedanken verbunden- Rauchzeichen schickten.

Für die Kunstfachschaft und die Organisation: Gabriele Nentwig-Flohr

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