Theateraufführung

Die Theater-AG präsentiert: Der eingebildete Kranke

theater16

 

"Le Malade imaginaire" Eine Komödie zwischen Spiel und Realität

Nach Macbeth und Kafkas Prozess sollte nun ein Molière auf dem Spielplan unseres Theaters stehen. Eine Komödie, ein Stoff also, der ein Vergnügen, Spaß und Komik erwarten lässt. Man kennt die Figuren wie Tartuffe, den bigotten Heuchler, den Geizigen, den Menschenfein. Eine Galerie der menschlichen Schwächen und Eitelkeiten. Dummheit und Bosheit, Selbstsucht und Blindheit gegenüber dem Unrecht und Lüge. "Le Malade imaginaire" " ist Molières letzte Komödie. Sie wurde im Februar 1763 uraufgeführt. Das Besondere an dieser Komödie ergibt sich aus einer bizarren Koinzidenz von Theater und Realität. Am 17. Februar 1673 übernahm Molière wie gewöhnlich die Hautrolle und die Regie. Es war die vierte Aufführung, an deren Ende Molière auf der Bühne starb. Es wird überliefert, dass Molière todkrank war und sein Ende vorausahnte. Es scheint, als hätte der Schöpfer des "Malade imaginaire" noch einmal zeigen wollen, worauf es ihm ankommt. Die Komik der Charaktere, die temporeiche Handlung und die unbezwingliche Rhetorik des Hausmädchens Toinette bringen den Zuschauauer zum Lachen und garantieren Amüsement und Heiterkeit - oder? Näher betrachtet ist da aber auch Melancholie und Trauer. Im "Malade imaginaire" steht der Hypochonder im Mittelpunkt, ein Mensch, den man verzweifelter nicht zeichnen könnte. Ein geplagter Hausvater und Ehemann, der - wie gleich zu Beginn der Handlung offenbar wird - ganz im Wahn lebt. Die düstere Stimmung der Eröffnungsszene zeigt Argan im imaginären Zwiegespräch mit den Ärzten und Apothekern, deren Rechnungen er summiert und wie eine Litanei herunterbetet. Als er plötzlich bemerkt, dass er alleine ist, ruft er in eine Panik verfallend das Dienstmädchen herbei. Er offenbart in seinem Gehabe ein probates Repertoire, um Zuwendung und Aufmerksamkeit zu erheischen: Beschimpfungen, Drohungen und regressives Jammern. Mit dem ersten Dialog zwischen dem Dienstmädchen und Argan wird eine turbulente und in rasantem Tempo sich entfaltende Handlung, in der der Zuschauer mit Argans unerträglichen Capricen, mit seine Egozentrik und Grausamkeit konfrontiert wird, eröffnet. Die Kinder sollen zugunsten der Stiefmutter enterbt werden, wozu ein korrupter Anwalt eingeschaltet wird, dessen Beratung nicht nur inkompetent, sondern so offensichtlich kriminell ist, dass man sich fragt, wo Argans Verstand geblieben ist. Angélique, die ältere Tochter, soll zu einer Ehe mit dem debilen Sohn eines Arztes verheiratet werden, damit Argan einen Arzt in der Familie hat. Zwanghaft sind die täglichen Anwendungen und die Abhängigkeit von den Ärzten. So münden alle Versuche, Argan zu bekehrten, in der Wiederkehr des ewig Gleichen: Toinettes Charaden und Feuerproben, um Argan die Augen zu öffnen, fruchten letztendlich ebenso wenig wie die Argumentationen des aufgeklärtem Bruders Béralde. Vergeblich bemüht sich Argan, die Jungen von ihren Heiratsplänen abzubringen. Die Schlussszene ist dementsprechend nur scheinbar eine glückliches Ende und erscheint letztlich wie ein Einstieg in das Karussell des drehenden Wahns: Argan: So ist es , wir sind gerettet. Angélique: Cléante, du bist der Retter. Cléante : Der Gerettete. (sie umarmen einander ) Argan: Herr Cléante, der Puls…mein Gott…mein Puls …mein Puls …schnell. (Cléante muss sich von Angélique trennen, Herrn Argans Hand nehmen und den Puls zählen; während er zählt, geht der Vorhang zu.) Die Angst ist allgegenwärtig. Sie ist lächerlich und tragisch zugleich. Es ist eine zutiefst menschliche und zugleich lächerliche Angst vor dem Tod. Wer kann diese Krise besser auf den Punkt bringen als Thomas Bernhard, dessen Stück "Der Ignorant und der Wahnsinnige" von Molières "Malade Imaginaire" inspiriert war. Ihm sei nun hier das letzte Wort gelassen "Wir sagen, wir geben eine Theatervorstellung, prolongiert – ohne Zweifel – in die Unendlichkeit. Aber das Theater, in welchem wir auf alles gefasst und in nichts kompetent sind, ist, seit wir denken können, immer ein solches der sich vergrößernden Geschwindigkeit und der verpassten Stichwörter. Es ist absolut ein Theater der Körper, in zweiter Linie der Geistesangst und also der Todesangst.

Wir wissen nicht: Handelt es sich um die Tragödie um der Komödie oder um die Komödie um der Tragödie willen?" (Büchnerpreisrede vom17. 10.1970)

Erika Höhler

 

Impressionen von der Probe

DSC 2423    DSC 2551

DSC 2462     DSC 2546