Der schnelle Kick beim Leistungsknick

Artikel aus der Königsteiner Woche

Informationsabend gegen Leistungs-Doping in der BNS

Die Suchtpräventionsbeauftragte der Bischof-Neumann-Schule Dr. Doris Heidelberger hatte zum Infoabend die Schüler ab Klasse 9 mit ihren Eltern eingeladen. Etwa 60 zumeist Erwachsene nahmen an der Veranstaltung teil. In seinem Einführungsvortrag beleuchtete Professor Madeja im fulminanten Schnelldurchgang den Aufbau und die Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Was er selbst als „Crash Kurs“ titulierte, entwickelte sich zur Reise durchs Gehirn.

Das Gehirn funktioniert elektrisch, sagte Professor Madeja, und erläuterte den Aufbau von Ionenkanälen an Nervenzellen. Diese sind relativ unempfindlich gegen Drogen. Dreh- und Angelpunkt jeglicher Kommunikation zwischen Nervenzellen im Gehirn und im Körper sind jedoch die sog. „Neurotransmitter“, dies sind chemische Botenstoffe, die Informationen von Zelle zu Zelle leiten. Kommt es bei der Informationsübermittlung zu Störungen, bspw. durch die Einnahme von Substanzen, empfindet der Mensch erwünschte oder unerwünschte Wirkungen.

Die heute verwendeten Drogen wirken alle auf das Neurotransmittersystem des Gehirns.

Die „legalen Drogen“ Koffein, Nikotin und Alkohol wurden in ihrer Wirkung erläutert. Insbesondere das Koffein in den Energy Drinks ist den Eltern und Lehrern der BNS ein Dorn im Auge.

Koffein erhöht die Wachsamkeit und die Aufmerksamkeit, ebenso die Reaktionsschnelligkeit und die Selbsteinschätzung. Es hat zudem eine direkte Wirkung auf das Schlafzentrum. Koffein stört jedoch den Schlaf, es kann zu Gedächtnisstörungen, Halluzinationen, Erhöhung des Blutdrucks und Herzrasen kommen. 10 Gramm sind die tödliche Dosis. Koffein macht abhängig, dies wird daran deutlich, dass für eine dauerhafte Wirkung die Dosis permanent gesteigert werden muss. Der Entzug äußert sich in Müdigkeit, Schlaffheit und Gereiztheit. Die Koffeinwirkung lässt im Alter nach, da die Adenosin-Rezeptoren im Alter abnehmen, an die das Koffein bindet. In Energydrinks ist die Kombination von Koffein und Taurin möglicherweise dafür zuständig, dass die Anflutung des Koffeins beschleunigt wird.

Die Gefahr für Kinder und Jugendliche besteht in der Schnelligkeit des Anstiegs der Koffeinkonzentration im Nervensystem. Daraus ergeben sich Schlaganfälle und Bluthochdruck-Krisen auch bei sehr jungen Patienten.

In seinem sehr kurzweiligen Vortrag gab Professor Madeja einen Überblick über weitere Drogen:

Dass Nikotin die Hautdurchblutung stört und dass eine Zigarette das Leben um elf Minuten verkürzt, kam pointiert an. „Heidi Klum hat mit einem Satz mehr gegen das Rauchen gemacht, als viele Jahrzehnte Rauchprävention“, sagte Herr Madeja zur Erheiterung der Zuhörer. Er zitierte: „Rauchen macht alte Haut – wenn du weiterrauchst, kannst du kein Model werden.“

Dass der Wirkmechanismus des Zellgiftes Alkohol bis heute noch nicht ganz verstanden ist, überraschte die Anwesenden. Der Schaden, den die gesellschaftlich akzeptierte Droge Alkohol anrichtet ist sehr hoch, das Abhängigkeitspotenzial ist es ebenfalls.

Besonderes Augenmerk richtete Professor Madeja auf die neuen Drogen, die als harmlose Pille insbesondere von Managern als „Working Pill“ eingenommen werden. Dazu gehören moderne Medikamente gegen Narkolepsie wie Modafinil. Die Nebenwirkungen von Modafinil sind Kopfschmerzen, Nervosität, Schlafstörungen, Depressionen, Selbst-Überschätzung und Überdrehtheit. Die Wirkung hält fast einen Tag an, die Wirkung stellt sich jedoch bei ausgeschlafenen, gesunden Erwachsenen nicht ein.

Eine augenzwinkernde Warnung enthielt sein Exkurs zum Traubenzucker. Viele Eltern würden ihren Kindern Traubenzucker als Hirndoping in die Schule mitgeben. Kurzfristig führt eine Einnahme zur Steigerung der Blutzuckerkonzentration, eine positive Wirkung ist jedoch nicht messbar. Allerdings kommt es kurz nach der Einnahme als Nebenwirkung zu einer möglichen Unterzuckerung mit Leistungsabfall. Er betonte, dass es ein Märchen ist, dass zuckerhaltige Kost zu Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen führt. Die Bischof-Neumann-Schule ist zwar eine „Gesunde Schule“, sieht sich aber nicht als zuckerfreie Schule.

Dr. Thiel-Etzels Vortrag führte in die Praxis der Psychiatrischen Pflegeversorgung im Hochtaunuskreis ein. Sie ist spezialisiert auf die Behandlung von Suchtkranken. Die Vitos Klinik in Köppern hält 20 Betten für Alkoholkranke und 20 Betten für Patienten vor, die von illegalen Drogen entgiftet werden. Sie stellte verschiedene Lebensszenarien vor, in denen junge Menschen in die Versuchung kommen können, vermeintlich leistungssteigernde Substanzen einzunehmen. Viel war von Überlastung, Stress, dem „Funktionieren-müssen“ die Rede. Die sogenannte „Neuro-Enhancer“, die nach Missbrauch sehr schnell abhängig machen, sind ein großes Problem. Sie klassifizierte die verschiedenen Substanzen ein in Stimulantien (Amphetamine, Ritalin, Badesalz und Kokain), die Halluzinogene, (Cannabis und Spice u.a.), die Analgetika (Schmerzmittel mit hohem Suchtpotenzial) und die Sedativa wie Liquid Extasy.

Die größte Gefahr sieht sie im frühen Einstieg in den Konsum dieser Drogen. Die Gründe für den Einstieg seien meist autodestruktive Verhaltensmuster bei Missbrauch oder Misshandlung in der Vorgeschichte. Auch Depressionen, Schizophrenie, Impulsivität und Borderline-Störungen.

Heutzutage sieht sie in ihrer Klinikpraxis weniger Alkohol- oder Beruhigungsmittelsüchtige und dafür mehr Liquid-Extasy Patienten (GHB/GBL oder k.o.Tropfen). Im Zusammenhang mit Alkohol kann der Konsum dieser Drogengruppe zu Atemstillstand führen. Das Absetzen ist ohne stationären Entzug nicht möglich.

Das Ziel von Dr. Thiel-Etzel ist es, durch breit angelegte Aufklärung eine Konsumkompetenz oder Drogenmündigkeit der jungen Menschen zu erreichen. Im Internet fänden sich oft Halbwahrheiten, die Jugendliche in unkontrollierten Zusammenhängen in die Irre leiten könnten.

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